Die verlernte Buchfreude?

Lange war es still. Um mich und auf diesem Blog.
Lange hingen diese Worte unausgesprochen in meinem Kopf.
Doch nur, weil ich sie nicht ausspreche, bedeutet es nicht, dass ich sie nicht hören kann. Immer die gleiche Frage: Hast du die Buchfreude verlernt?

Aufgewachsen im Alter der Bibliotheksausweise, der abgegriffenen Bücher und vollgestopften Buchregale bei meiner Oma zu Hause, waren Bücher für mich stets treue Gefährten. Sie durften mit an den See, ins Schwimmbad, in den Urlaub.
Sie fielen in den Sand, hatten Eselsohren und Knicke im Cover.
Meine Oma nannte sie liebevoll ‚Liebesknicke‚.
Das Buch sah in ihren Augen nicht verlebt, sondern geliebt aus. Weil ihr Äußeres darauf schließen ließ, wie gerne man es hatte. Immerhin nahm man es überall hin mit. Es war immer dabei.

Auch waren ihre Buchregale stets vollgestopft. Man warf keine gelesenen Bücher weg, brachte sie höchstens zum Buchschrank im Ort, verschenkte es an Freunde oder ließ es im Urlaubshotel für den nächsten begeisterten Leser zurück.

Heute komme ich mir fast schon wie ein minderwertiger Leser vor. Nicht ‚hip‘ genug um in den Kreisen professioneller Leser aufgenommen zu werden. Meine Bücherfotos sind mit dem Handy geschossen, ungestellt und roh. Sie werden niemals auf dem Cover des Times Magazins landen und gewinnen keine Fotopreise.

Ich habe keinen Tisch, den ich extra minutiös aufbereite, das Buch drapiere und mit drei Lightboxen ausleuchte, um dann hundert Fotos zu schießen, das Beste zu berarbeiten und dann zu teilen.

Ich lese Bücher einfach. Ich mache Eselsohren, ich streiche mir besondere Passagen an, ich umarme Bücher und nehme sie mit in die Badewanne.

Mein Regal ist weder nach Farben, noch nach Genre oder gar Autoren sortiert. Es ist überfüllt und manchmal sogar verstaubt. Ich habe keinne SuB und keinen Bookstagram Account.

Man bekommt den Eindruck, es ging viel mehr um das Drumrum, als um das Buch an sich. Die Kommentare beziehen sich häufig auf das Bild, wie sympathisch der Blogger dahinter wäre, mit welcher Software man das Bild bearbeitet hat etc.

Zu selten sehe ich Kommentare zum Buch! Geht es nicht mehr darum? Die Rezensionen werden im Verhältnis zu den Likes des Bildes kaum noch gelesen. Das macht mich traurig. Wenn ich nachfrage, bin ich oft nur die ‚einfache Leserin‘, die vom Job nichts versteht.

Die irritierten Blicke mancher ‚professional Leser‘, die mich fragen, wieviel Bücher ich im Monat lese, welche Verlage mir Bücher zum Rezensieren zuschicken, ob ich mit der Pressefrau per du bin und ob ich als Journalist für die Buchmesse akkreditiert werde, verunsichern mich.

Ich bin kein Journalist. Ich bin maximal Blogger – und auch das nicht hauptberuflich. Ich habe kein Journalismus Studium beendet, war nicht mit Antonia Rados in Krisengebieten, meine Texte werden nicht in Zeitungen veröffentlich und manchmal schleichen sich Vertippen in meine Beiträge. Wieso sollte ich mich also Journalist nennen?

Ich bin Leserin.

Eine, die Spaß an den Geschichten hat.

Eine einfache Leserin.

Und mal ganz im Ernst, das seid ihr im Herzen, unter der Schale an tausendfach geliketen Instagramfotos, Funkofiguren und ausgeleuchteter Buchregalen doch auch, oder?

Euer

avocadogirl

 

 

13 Gedanken zu “Die verlernte Buchfreude?

  1. Liebesknicke! Wie wunderbar ist das denn?! Das werde ich sofort in meinen Wortschatz aufnehmen 🙂

    Liebe Grüße
    Myriam

    P.S. Wer Leserin ist, muss in meinen Augen gar nichts anderes mehr sein – das ist doch der schönste ‚Beruf‘ der Welt!

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    • Liebe Myriam,
      genau so sehe ich das auch! Leser*in ist alles, was ich anstrebe. Die Begleiterscheinungen brauche ich nicht um ein schönes Lesevergnügen zu erleben.

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  2. Hallo,
    mir ist das von dir beschriebene auch schon aufgefallen. Es scheint unter Buchbloggern manchmal ein regelrechter Wettbewerb auszubrechen. Das finde ich so schade. Wir sind weder der verlängerte Arm des Marketings der Verlage noch gehören wir irgendwie „dazu“, nur weil wir Bücher mal irgendwo ein Buch geschenkt bekommen oder vielleicht auf einer Plattform gewinnen.
    Ich finde du hast ein sehr schönes Plädoyer geschrieben, sich wieder als Leser*in zu begreifen 🙂
    VG Jennifer

    Gefällt 2 Personen

    • Liebe Jennifer,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Eine Weile habe ich gedacht, wenn ich es aufschreibe, werden mir alle Neid vorwerfen, weil ich kein Buchblogger bin. Dabei geht es mir einfach nur ums Buch und die Liebe zum geschriebenen Wort, die immer mehr unterzugehen scheint. Da tut es gut zu lesen, dass ich mit den Gedanken nicht alleine bin.
      Liebe Grüße,
      Avocado

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  3. Hallo,
    Ich bin über meine Lieblingsautorin Alice Gabathuler auf den Beitrag gekommen. Er ist grossartig! Absolut fantastisch würde ich fast schon sagen. Warum? Du fasst genau das zusammen, was mich zur Zeit beschäftigt. Ich verbringe Stunden damit Beiträge zu schreiben, Fotos zu machen und mich mit anderen mehr oder weniger unwichtigen Dingen zu beschäftigen. Da reicht es manchmal kaum mehr zum Lesen! Aber darum mach ich das doch eigentlich? Deshalb führe ich doch meinen Blog? Klar, ich bin dankbar dafür, dass ich für eine Zeitung schreiben darf, mit meiner Dorfbibliothek Lesungen organisieren kann und seit neuestem auch mit einem Buchladen zusammenarbeite, aber eigentlich mach ich das alles nur, weil ich Bücher liebe. Wo höre ich auf? Ich versuche mich aufs Lesen zu fokussieren. Irgendwo muss ich Stop sagen!

    Liebe Grüsse
    Josia

    P.S. Dieser Beitrag gehört mit Abstand zu den besten, die ich in letzter Zeit auf Blogs gelesen habe! Danke!

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  4. Pingback: Julia's WunderlandMonatsrückblick August - Julia's Wunderland

  5. Hallo! Ein richtig schöner Beitrag! Mir geht es in vielen Dingen genauso. Ich lese einfach gerne und möchte meine Meinung zu den Büchern teilen. Ich liebe Bücher, aber sie bestimmen nicht meinen Lebensinhalt. Mein Zeitplan orientiert sich nicht nach Buchmessen und Lesungen, meine Instagram-Fotos mache ich spontan, wenn ich Lust dazu habe. Ich muss nicht jeden Tag die Welt mit meinen Lese-Updates auf dem laufenden halten und meine Neuzugänge präsentieren. Ich lese und genieße einfach ein Buch und berichte darüber.

    Danke, für den Beitrag!
    Liebe Grüße, Pia!

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    • Liebe Pia,
      so gerne ich Buchblogs auch durchstöbere, ich vermisse Leser wie dich! Die einfach Lesen, in die Geschichte abtauchen und sie genießen. Ohne daraus eine große Sache oder viel Wirbel um sich selbst, statt um das Buch, zu machen.
      Wie schön, dass du meinen kleinen Beitrag gefunden hast. 🙂

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